Ob Literatur etwas kosten sollte und wieviel sie dann näherhin wert wäre, erweist sich als prekäre Frage, zumal heute, wo Literatur weder im ‚Warenkorb‘ der viel beschworenen kleinen Sparer*innen wirklich zu Buche schlägt noch auf den (Finanz-)Märkten irgendwelche Renditen verheißt. So hat es zumindest den Anschein, misst man literarische Produktionen — von denen allein kaum jemand und von deren Zweit-, Dritt- und So-Weiter-Verwertung nur ein erlesener Kreis noch komfortabel leben kann — an den Algorithmen unserer Alltagswirklichkeit. Letztere verwandeln nämlich literarische Unternehmungen unserer Tage unweigerlich in ein Risiko-, wenn nicht gar in ein krachendes Minusgeschäft.
Doch ist die Klage tatsächlich neu? Keineswegs, bedenkt man, dass Literatur und Ökonomie, konkreter noch: Literatur und das zum Überleben notwendige Klein- und Großgeld seit je in einem intrikaten Wechselverhältnis stehen; einem Verhältnis, welches unlängst wieder allerlei philologische, aber auch kultur- und wirtschaftswissenschaftliche Forschung auf den Plan rief und ruft. Seit jeher kostet es viel Zeit, um überhaupt literarisch kreativ zu werden. Und solche Lebens-Zeit will finanziert sein, damit Texte und Bücher, Erzählungen und Romane, Theaterstücke und selbst die so schlanken Gedichte entstehen können. Ehedem — vom Mittelalter beinahe bis ins 19. Jahrhundert — war solche Literaturfinanzierung Sache von Mäzenen und Mäzeninnen, wurde sie mittels Patronage zu beidseitigem Vorteil (‚Bares zum Lebensunterhalt gegen bauchpinselnde Widmungsphrasen‘) geregelt, ohne dass natürlich Details über Zahlungsleistungen nach außen dringen durften. Genau besehen funktioniert das heutige Sponsoring (ungeachtet aufgeklärter Transparenzbeteuerungen) wenig anders. Insbesondere seit Mitte des 19. Jahrhunderts beansprucht die Literatur jedoch zugleich einen Eigenwert, der gegen jedwede monetäre Abwertung gefeit sein soll und den Unwägbarkeiten des durch Angebot, Nachfrage und Preis geregelten Marktes trotzt. Indem sie gar nicht mehr darauf abzielt, als materieller Tauschwert zu dienen, d.h. auf Heller und Pfennig gelesen und entlohnt zu werden, sondern genau dies vehement verweigert, wird die Literatur — bis zu einem gewissen Grad freilich nur — ökonomisch autonom oder, anders gesagt, an-ökonomisch. Sie rühmt sich vorrangig ihres ‚symbolischen Kapitals‘, wie es der französische Soziologe P. Bourdieu definiert, und schickt sich an, SchriftstellerInnen hervorzubringen, die sich nicht ohne gewissen Stolz als „ouvriers de luxe“ (G. Flaubert: Correspondance, 4 janvier 1867) präsentieren.
ZUM WEITERLESEN
Jochen Hörisch: Kopf oder Zahl? Die Poesie des Geldes, Frankfurt/Main 1998; Joseph Vogl: Das Gespenst des Kapitals, Zürich 2010; Urs Urban: Die Ökonomie der Literatur. Zur literarischen Genealogie des ökonomischen Menschen, Bielefeld 2018.